Am Teufelsberg zeigt sich, ob Berlin im Naturschutz vorankommen will
Knapp 6 von 187 Seiten oder 3 % im Rot-Rot-Grünen Koalitionsvertrag sind der Thematik „Aktiver Natur- und Umweltschutz – ein ökologischer Aufbruch fur Berlin“ gewidmet. Ehrgeizige Ziele sind darin skizziert, z. B. „Naturschutzgesetz zügig umsetzen“ (S. 163). An anderer Stelle dieses Vertrages wird der Schwerpunkt gesetzt: „Besondere Orte Berlins attraktiv weiterentwickeln“ (S. 35-37). Unter den dort aufgeführten 13 Orten von gesamtstädtischer Bedeutung, an denen konsequenterweise starke Aktivitäten der Senatspolitik und auch der Verwaltungen im Sinne dieser Schwerpunktsetzung zu erwarten, aber auch unbedingt zu fordern sind, befindet sich nur einer, der in vollem Umfang dem Arbeitsbereich „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ zuzuordnen ist, nämlich der Teufelsberg, gelegen an hervorgehobener Stelle inmitten des Grunewaldes. Vorgesehen ist hier: „Die Koalition strebt an, den Teufelsberg in Zusammenarbeit mit den Berliner Forsten, freien Trägern des Naturschutzes und der kulturellen Arbeit als Erinnerungs- und Naturort öffentlich zugänglich zu machen.“ Der Koalitionsvertrag beansprucht Gültigkeit für einen mit „2016 bis 2021“ bezeichneten Zeitraum. Deshalb stellen sich das Jahr 2018 sicherlich als ein geeigneter Zeitpunkt und der Teufelsberg als der am besten geeignete Ort Berlins dar, um eine kritische Zwischenbilanz für Qualität und Erfolg der Bemühungen des Senats auf dem Sektor „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ zu ziehen. Das „Aktionsbündnis Teufelsberg“, ein Zusammenschluss aus anerkannten Naturschutzverbänden, Bürgervereinen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Kreisen sowie engagierten Einzelpersonen, das sich seit über 20 Jahren für die inzwischen auch im Koalitionsvertrag genannte Zielsetzung einsetzt, ist sicherlich das am besten geeignete Gremium für die fällige kritische Stellungnahme.Seit dem Verkauf des Teufelsbergplateaus, eines zentralen Kernbereichs vom Grunewald, durch den Berliner Senat an Private am 22.11.1996 vertritt das Aktionsbündnis Teufelsberg seit 1997 beharrlich die drei Kernforderungen
(1) Rückerwerb des Areals für die Öffentliche Hand;
(2) Öffnung des Areals für kostenfreien Zugang zur Erholungsnutzung für alle;
(3) Wiedereingliederung des Areals in das Landschaftsschutzgebiet Grunewald.
Seit Anfang 2018 gibt es einen Lichtblick: Mit der Verabschiedung der „Grunewaldschutzverordnung – Sch VOGw“ (Verordnung zum Schutz der Landschaft des Grunewaldes mit den darin liegenden Naturschutzgebieten….) vom 20. Dez. 2017, die am 12. Januar 2018 in Kraft getreten ist, wurde endlich die dritte Kernforderung des Aktionsbündnis Teufelsberg erfüllt. Die für den Teufelsberg und seine „attraktive Weiterentwicklung“ federführend zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter der Leitung von Senatorin Regine Günther hat damit einen wichtigen ersten Schritt vollzogen, der aber nur dann wirksam werden kann, wenn ihm die erforderlichen weiteren Schritte folgen. Die Bereitschaft dazu ist bisher nicht in ausreichendem Umfang erkennbar; das kann mit den Ergebnissen einer Prüfung der konkreten Situation vor Ort belegt werden:
I. Die neue Schutzverordnung enthält eine Reihe von Verboten und Geboten, die zwar geeignet sein könnten, die Belange von Natur- und Landschaftssschutz zu gewährleisten, die aber zunächst konkretisiert und gegenüber den Rechten und Ansprüchen der Eigentümer des Teufelsberg-Plateaus durchgesetzt werden müssen. Möglicherweise kann diesen Bestimmungen erst durch einen Pflege- und Entwicklungsplan für das Schutzgebiet zur Geltung und Wirkung verholfen werden. Solange sie nicht durch Präsenz und aktive Handlungsbereitschaft der Behörden repräsentiert wird, bleibt die neue Verordnung nur „ein Papiertiger“. Eine für diesen Zweck bestimmte befristete Personalstelle wurde von der Fachbehörde „Berliner Forsten“ zwar beantragt, konnte aber nicht in den Haushalt der Senatsverwaltung eingestellt werden. So bleibt beispielsweise ungeklärt, ob der durch zahlende Besucher verursachte starke Kraftverkehr zum Teufelsbergplateau („….alles unsere privaten Gäste, also Anlieger“) durch Eigentümerrechte gedeckt ist, oder ob die Zufahrt als Waldweg, etwa durch eine Schranke, abgesperrt werden kann. Ähnliches gilt für die Bautätigkeiten in dem Ruinenglände, das planungsrechtlich wieder zum „Wald“ geworden ist, für die von den Eigentümern aber „Bestandesschutz und Erhaltungsinvestitionen“ geltend gemacht werden. De facto besteht auf dem Berg ein lukratives illegales Gewerbegebiet; Insider berichten, dass durch Eintrittsgelder, Vermietungen, Verkäufe und Veranstaltungen jährliche Umsätze in der Größenordnung von 1 Mio € erzielt werden; auch große Firmen kommen und zahlen gut, um mit ihren Gästen Parties im Ambiente des morbiden Charmes der Ruinen zu feiern – alles „private Gäste“. Verteidigt werden diese Zustände im Landschaftsschutzgebiet durch die alternative „Street-Art“-Szene, die hier geduldet wurde und sehr erfolgreich vermarktet wird. Tolerierbar oder zu begrüßen wäre so etwas auf den innerstädtischen Industriebrachen, nur eben nicht im Zentrum eines Erholungswaldes und Schutzgebietes. Die Eigentümer haben beantragt, Wasserversorgungs-und Elektrizitätsleitungen verlegen zu dürfen. Im ungültig gewordenen Vorhabens- und Erschließungsplan waren die vorgesehen. Aber braucht eine Waldfläche im LSG diese Infrastruktur heute noch? Die hier angedeuteten Konflikte zeigen, dass die meisten Probleme durch die lediglich papiererne Existanz einer Schutzverordnung noch nicht beseitigt, ja nicht einmal gemildert sind.
II. Das Aktionsbündnis Teufelsberg ist bereits zwei Schritte vorausgeeilt und hat ein ziemlich detailliertes Konzept für die Zukunft des Gipfelplateaus ausgearbeitet. Es sieht -wie 1950 geplant- die landschaftliche Gestaltung des Berggipfels vor und ist auf der Internetseite des Akktionsbündnisses aktionbuendnis-teufelsberg.de dargestellt und erläutert. Realisierbar werden kann es aber erst, wenn die genannte Kernforderung Nr. 1, Rückerwerb des Areals für die Öffentliche Hand, realisiert worden ist. Zwar haben alle Fraktionen des früheren Abgeordnetenhauses, der damalige Stadtentwicklungssenator und heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller und auch der in dieser Angelegenheit entscheidende Finanzsenator Mathias Kollatz-Ahnen den Rückerwerb befürwortet und beschlossen. Dies kann jedoch nicht zu einem unberechtigt hohen Preis erfolgen. Als „Wald“, nach forstlichen Kriterien bewertet, ist das Grundstück mit erloschenem Baurecht nahezu wertlos. Das ist die Hauptcrux in dieser Angelegenheit, denn die Eigentümer sind nicht verkaufswillig, es sei denn zu phantastisch überhöhtem Preis. Solange der Berliner Senat und die Berliner Verwaltungen es aber zulassen, dass mit illegaler Gewerbetätigkeit an diesem Ort hohe Umsätze erzielbar sind, wird es keine Einigung über einen „vernünftigen“ Kaufpreis geben können.
III. Ein Rückerwerb des Teufelsbergplateaus und seine neue Widmung als frei zugänglicher Erholungsschwerpunkt (obige Kernforderung Nr. 2) setzt auch voraus, dass den Berliner Forsten als ausführender Behörde, den freien Trägern des Naturschutzes (zum Beispiel Mitgliedsorganisationen des Aktionsbündnis Teufelsberg) und möglichen Trägern einer wie auch immer gearteten kulturellen Arbeit vermittelt werden muss, wie das Areal als Erinnerungs- und
Naturort gestaltet und gesichert werden soll. Auch der umstrittene Denkmalschutz (von den Eigentümern zeitweise vehement gefordert, dann wieder ebenso vehement abgelehnt) macht die Beteiligung der Denkmalschutzbehörde notwendig. Nicht nur der Kauf, sondern auch die Bereinigungs-, Sicherungs- und Gestaltungsmaßnahmen müssen finanziert werden. Die federführende Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ist jedenfalls nicht allein handlungsfähig, sondern nur aufgrund von Abstimmungsergebnissen mit den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Finanzen und Kultur, deren nachgeordneten Stellen und dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf mit seinen Gremien und nachgeordneten Behörden. Eine einfache Aufgabe ist das nicht. Auf Nachfragen des Aktionsbündnis Teufelsberg war zwischen Januar 2017 und März 2018 nur in Erfahrung zu bringen, dass es laufende Abstimmungsgespräche gebe. Bis zur Ergebnisnähe scheinen sie noch nicht gediehen zu sein.
IV. Während einer öffentlichen Debatte mit Architekten, der Presse und zahlreichen Bürgern am 12. März 2018 in der Urania erläuterte die Umweltsenatorin Regine Günther ihre Politik. Dabei wurde deutlich, dass die Verkehrspolitik derzeit zum einseitigen Schwerpunkt des Hauses geworden ist. Die Senatorin räumte ein, dass es deshalb zu Verzögerungen auf anderen Feldern im Zuständigkeitsbereich ihres Hauses gekommen sei; man stehe ja ganz am Anfang der Erledigung des politischen Aufgabenspektrums dieser Legislaturperiode. Bezüglich dieser Darstellung ist der Senatorin zu widersprechen. Auch wenn es schwierig sein mag, darf der Bürger und Interessent von seiner Regierung erwarten, dass nach mehr als einem Viertel der Legislaturperiode der gesamte Zuständigkeitsbereich einer Senatsverwaltung einigermaßen gleichmäßig vorangebracht wird und nicht nur sporadisch einzelne Themen von bevorzugtem Interesse. „Mut zur Lücke“ ist in diesem Kontext sicher die verkehrte Parole.
Fazit: Im Politikfeld „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ sind deutliche Defizite bei der Umsetzung des Berliner Koalitionsvertrages von 2016 feststellbar. Trotz einiger anerkennenswerter Fortschritte wie der Verabschiedung der Landschaftsschutz-Verordnung für den Grunewald kann man eher nicht bestätigen, dass das Naturschutzgesetz zügig umgesetzt wird. Betrachtet man die Behandlung des als Muster und „besonderen Ort Berlins“ hervorgehobenen Teufelsbergs stellvertretend für das gesamte Politikfeld „Naturschutz und Erholungsvorsorge“, so muss man feststellen, dass im Rest der Legislaturperiode noch außerordentlich viel zu tun ist, um das gesteckten Ziel vielleicht doch noch zu erreichen. Einen „ökologischen Aufbruch fur Berlin“, wie das im Koalitionsvertrag formuliert ist, sollten die Verantwortlichen mit mehr Ehrgeiz und Engagement auf diesem Gebiet vorantreiben.
H. Kenneweg, 19. 3. 2018
Wie stark inzwischen die kommerzielle Nutzung auf dem Teufelsberg geworden ist und welche Folgen dies hat, zeigt die folgende aktuelle Fotozusammenstellung
(Fotos H. Kenneweg) Exzessiver Kommerz im Landschaftsschutzgebiet